Woche 1 -  Sonntag

Durch Einstimmen empfangsfähig werden
Hinführung
Eine Form des Betens ist den meisten von uns seit ihrer Kindheit vertraut: Ich bete ein bekanntes, vorgeformtes Gebet mit, gebe mich in die Worte des Gebetes hinein. Damit "lasse ich mich ein" (in) auf dieses Gebet im wahrsten Sinne des Wortes. Wo ich das nicht tue, kann mein Beten zum leeren Plappern werden - wie schnell das geht, wissen wir. Deshalb ist es so wichtig, dieses Mich-Einlassen, solches Mich-Einstimmen auf ein vorgegebenes Gebet wieder zu üben.

Mit solchem Beten vorgeformter Gebete, die viele Generationen vor uns schon gebetet haben, die vielleicht auf dem ganzen Erdkreis von Christen aller Konfessionen gebetet werden, lasse ich mich in diese große Gebetsgemeinschaft hineinnehmen. Mein eigenes Beten stimme ich ein auf das Beten der weltweiten Christenheit, wie ein Geigenspieler sein Instrument auf die Stimmlage des Orchesters einstimmt und - indem er seine Stimme spielt - seinen Beitrag zum Ganzen leistet.

Solches Mich-Einschwingen in das Beten der Kirche aller Zeiten, aller Kontinente und aller Konfessionen bewahrt mein Beten vor jedem falschen Individualismus und gehört als Ergänzung des freien Betens zur inneren Gesundheit eines geistlichen Lebens. Hier liegt der tiefe Sinn des Stundengebetes mit seinen Psalmen, in denen alle Menschheitsnöte und -sehnsüchte vor Gott gebracht werden.

Wir wollen uns in unserer ersten Übung einstimmen auf das Gebet, das die Christenheit über alle Grenzen hinweg verbindet: das Vaterunser.


Übung
Vaterunser (Gebetsmeditation)

1. Möglichkeit: Ganz langsam und ganz einfach bete ich Wort für Wort dieses Gebetes und lasse jedes Wort in mir nachschwingen, wartend, was mir dazu einfällt. Dabei versuche ich, mein "Herz" wachsam daraufhin abzuhorchen, wie es in diesem Wort mitschwingen kann.

Je langsamer das Ganze geschieht, desto besser ist es. Beim Meditieren gilt der Grundsatz: "Weniger ist mehr als viel." Ignatius sagt: "Nicht das Vielwissen sättigt die Seele, sondern das innere Schauen und Verkosten der Dinge."

2. Möglichkeit: Ich wähle mir eine einzige Bitte des Gebetes aus zur Meditation.

- Innerlich sehe ich vor mir die Generationen, die diese Bitte seit fast zweitausend Jahren gebetet hatten... Wie unterschiedlich mag sie erfahren worden sein... Ich lasse mich einbeziehen in diese Gemeinschaft der Betenden, gebe mein eigenes Anliegen hinein und empfange Anteil an diesem gemeinsamen Beten...

- In gleicher Weise sehe ich die Christen der verschiedenen Kontinente vor mir und lasse mich ebenso in die Gemeinschaft ihres Betens einbeziehen... und das gleiche kann ich tun im Blick auf die Christen verschiedener Kirchen und Konfessionen...


Variante
Wem es lieber ist, der kann auch ein anderes Grundgebet der Christenheit in dieser Weise neu für sich fruchtbar werden lassen, etwa das Glaubensbekenntnis oder das Gloria. Auch das Beten der über tausend Jahre alten Pfingstsequenz (EG 126 - GL 239-244) ist für diese erste Übungseinheit fruchtbar und sinnvoll.

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